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13.11.2019 10:40 Alter: 4 yrs
Kategorie: Blog

„Schon früh den Tod ins Leben lassen“


Am besten gar nicht dran denken. So zumindest gehen heutzutage wohl die meisten Menschen mit dem Tod um. Dabei sollte er auch im
Alltag eine Rolle spielen. Warum, das erklärt Pfarrerin Julia Neuschwander, Leiterin des Referats Seelsorge der Oldenburgischen Kirche.

FRAGE: Noch bis vor einigen Jahrzehnten war es ganz normal, einen verstorbenen Angehörigen zu Hause aufzubahren,
um gebührend von ihm Abschied nehmen zu können. Wie sieht das heute aus?

JULIA NEUSCHWANDER: Genau, früher war auch der Tod ein wichtiger Teil des Lebens, auch weil die Menschen manchmal in jungen Jahren und meistens zu Hause starben. Die Kindersterblichkeit war hoch und oft wohnte man als Großfamilie auch mit den Älteren unter einem Dach. Es war also etwas ganz Selbstverständliches, dementsprechend ist man damit umgegangen. Wird man heute mit dem Tod konfrontiert, ist dies in unserer schnelllebigen Gesellschaft mit ihrem teils fast übertriebenen Lebenshunger zumeist ein Schock.

FRAGE: Was also tun, um dem Tod auch zu Lebzeiten einen gebührenden Platz einzuräumen?

JULIA NEUSCHWANDER: Eine Möglichkeit von Seiten der Kirche ist beispielsweise die Teilnahme an Gottesdiensten. Der Ewigkeitssonntag oder der Karfreitag widmen sich in besonderem Maße diesem Thema, auch durch das Anzünden von Kerzen oder das Vorlesen spezieller Texte. Auch Kindern kann man schon früh einen offenen Umgang mit dem Tod nahebringen, beispielsweise durch eine erlaubende Haltung, den Tod als etwas Selbstverständliches zu begreifen. Bereits die liebevolle Unterstützung bei der Beerdigung des geliebten Meerschweinchens kann dazu beitragen.

FRAGE: Und wenn dann doch ein Trauerfall eintritt, der einem sehr nahegeht?

JULIA NEUSCHWANDER: Dann sind oftmals auch wir Pfarrer und Pfarrerinnen gefragt oder aber andere professionelle Begleiter. Zumeist braucht ein Trauernder ein Gegenüber, um den Schmerz, die Wut und alle anderen mit dem Verlust einhergehenden Gefühle zu verarbeiten. Hier gibt es ja oft eine ganze Regenbogenpalette. Damit Trauerarbeit laufen kann, ist ein geschützter Raum, beispielsweise in einer Trauergruppe mit ihrer erlaubenden Haltung, sehr wichtig.

FRAGE: Was kann man noch für sich tun?

JULIA NEUSCHWANDER: Gut ist es, wenn es bereits zuvor Muster gab, die einem gut tun – und wenn diese auch in Krisenzeiten bestehen bleiben. Dies kann ein täglicher Spaziergang sein oder das morgendliche Lesen spiritueller Texte. Also Dinge, die in der Krise unterstützen. Manchmal entwickeln sich auch erst in einer Krise solche Muster, was man als Riesenchance für sich begreifen sollte. Dazu können auch andere Menschen ermutigen, sie sollten sich aber keineswegs aufdrängen. Sätze wie ,Das ist sicher eine schlimme Zeit für Dich. Ich könnte mir vorstellen, es würde Dir gut tun, mal eine Tasse Tee zu trinken‘ können eine wesentliche Hilfe sein, andererseits muss man auch akzeptieren, wenn ein Trauernder Abstand benötigt und lieber allein sein möchte.

Veröffentlicht in der NWZ vom 09.11.19, Melanie Jülisch